Fußball-Weltmeisterschaft 1962
FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft 1962 | |
---|---|
Campeonato Mundial De Futbol – Chile 1962 | |
Anzahl Nationen | 16 (von 54 Bewerbern) |
Weltmeister | Brasilien (2. Titel) |
Austragungsort | Chile |
Eröffnungsspiel | 30. Mai 1962 |
Endspiel | 17. Juni 1962 |
Spiele | 32 |
Tore | 89 (∅: 2,78 pro Spiel) |
Zuschauer | 900.000 (∅: 28.125 pro Spiel) |
Torschützenkönig | sechs Spieler mit je 4 Toren |
Platzverweise | 6 (∅: 0,19 pro Spiel) |
Die Endrunde zur 7. Fußball-Weltmeisterschaft wurde vom 30. Mai bis zum 17. Juni 1962 in Chile ausgetragen. Die WM in Chile ging als sehr unfaire Weltmeisterschaft in die Geschichte ein. Auf dem Platz spielten sich wahre Schlachten ab, die von den Schiedsrichtern nur unzureichend geahndet wurden. Gleichzeitig war dies die letzte Weltmeisterschaft der deutschen Mannschaft unter Trainer Sepp Herberger. Kapitän der deutschen Mannschaft war der letzte verbliebene Held von Bern: Hans Schäfer vom 1. FC Köln.
Eine Fußball-Weltmeisterschaft war 1962 bereits ein Weltmedienereignis. Deshalb war es eine große Herausforderung für Funk und Fernsehen, Übertragungen aus Chile sicherzustellen. Die ARD unter der Leitung von Rudi Michel transportierte eine eigene Radiostation nach Chile, die nach der WM dort verkauft wurde, und übertrug in der Nacht live im Radio. Fernsehübertragungen (auch zeitversetzt) bekam der deutsche Fußballfan allerdings nicht zu sehen – nur Filmberichte, die einige Tage später gesendet wurden.
Die Weltmeistermannschaft: Gilmar; Djalma Santos, Nílton Santos; Zito, Mauro, Zózimo; Garrincha, Didi, Vavá, Amarildo, Zagalo. (Pelé verletzte sich in der Vorrunde im Spiel gegen die Tschechoslowakei und konnte im weiteren Verlauf des Turniers nicht mehr eingesetzt werden. Für ihn spielte danach Amarildo.)
Der Gastgeber
Nachdem die Weltmeisterschaften 1954 und 1958 in Europa stattgefunden hatten, war 1962 Südamerika an der Reihe. Die Entscheidung über den Austragungsort der WM 1962 fällte die FIFA am 10. Juni 1956 in Lissabon. Etwas überraschend setzte sich das fußballerisch zweitklassige Chile gegen den Mitbewerber Argentinien mit 32:11 Stimmen durch. Der schlechte Zuschauerzuspruch insbesondere bei den Vorrundenspielen sollte den Kritikern nachträglich recht geben. Nach dem verheerenden Erdbeben von 1960 wurde ein Entzug der Veranstaltung diskutiert.
Qualifikation
Größte Überraschungen der Qualifikation waren das Scheitern von Vizeweltmeister Schweden und des WM-Dritten Frankreich, die beide in Entscheidungsspielen gegen die punktgleichen Gruppengegner Schweiz bzw. Bulgarien unterlagen, obwohl beide nach heutigen Maßstäben die besseren Tordifferenzen hatten und auch die direkten Vergleiche gewonnen hatten. Gastgeber Chile und Weltmeister Brasilien waren automatisch startberechtigt. Kolumbien und Bulgarien qualifizierten sich zum ersten Mal für eine Weltmeisterschaft.
10 aus Europa | Bulgarien | BR Deutschland | England | Italien | Jugoslawien |
Schweiz | Sowjetunion | Spanien | Tschechoslowakei | Ungarn | |
5 aus Südamerika | Argentinien | Brasilien | Chile | Kolumbien | Uruguay |
1 aus Nord- und Mittelamerika | Mexiko |
Auslosung und Modus
- Topf 1: Argentinien, Brasilien, Chile, Uruguay
- Topf 2: BR Deutschland, England, Italien, Jugoslawien, Sowjetunion, Spanien, Ungarn, Tschechoslowakei
- Topf 3: Bulgarien, Kolumbien, Mexiko, Schweiz
Als Gruppenköpfe wurden die vier südamerikanischen Teams aus Topf 1 gelost, wobei Chile fix in die Gruppe B gesetzt wurde, weil deren Spiele in Santiago ausgetragen wurden.[1] Aus Topf 2 wurden jeweils zwei Teams zu jeder Gruppe frei zugelost. Im Topf 3 waren die vermeintlich schwächsten Mannschaften, die gezielt als Auftaktgegner für die Gruppenköpfe frei zugelost wurden.
Gruppe A | Gruppe B | Gruppe C | Gruppe D |
---|---|---|---|
Uruguay | Chile | Brasilien | Argentinien |
Kolumbien | Schweiz | Mexiko | Bulgarien |
Sowjetunion | BR Deutschland | Spanien | Ungarn |
Jugoslawien | Italien | Tschechoslowakei | England |
Die 16 Teilnehmer traten in vier Vorgruppen mit je vier Mannschaften an. Die beiden ersten jeder Gruppe qualifizierten sich für das Viertelfinale. Anders als bei den Vorgängern war bei der WM 1962 bei Punktgleichheit auf dem zweiten und dritten Platz kein Entscheidungsspiel mehr vorgesehen, sondern es entschied der Torquotient. Ab dem Viertelfinale wurde das Turnier im K.-o.-System ausgetragen.
Spielergebnisse
Gruppenspiele
Die Spiele der Vorrunde waren von einer betont defensiven Taktik und außerordentlichen Härte geprägt. Negativer Höhepunkt war die Schlacht von Santiago, die Begegnung Chile gegen Italien, die zeitweilig in offene Schlägereien ausartete und als unfairstes Spiel der WM-Geschichte gilt. Pelé erlitt im zweiten Spiel gegen die CSSR einen Muskelfaserriss und wurde im weiteren Verlauf des Turniers nicht mehr eingesetzt. Die größte Überraschung war das Ausscheiden Spaniens, das trotz eingebürgerter Weltstars wie Ferenc Puskás und Alfredo Di Stéfano (der allerdings aufgrund einer Verletzung nicht eingesetzt werden konnte) nur Gruppenletzter wurde. Bemerkenswert war die Dominanz osteuropäischer Mannschaften, die die Hälfte der Viertelfinalteilnehmer stellten. Mit Deutschland und Italien trafen erstmals zwei frühere Weltmeister bei einem WM-Turnier aufeinander.
Gruppe A
30. Mai 1962 in Arica | |||
Uruguay | – | Kolumbien | 2:1 (0:1) |
31. Mai 1962 in Arica | |||
Sowjetunion | – | Jugoslawien | 2:0 (0:0) |
2. Juni 1962 in Arica | |||
Jugoslawien | – | Uruguay | 3:1 (2:1) |
3. Juni 1962 in Arica | |||
Kolumbien | – | Sowjetunion | 4:4 (3:1) |
6. Juni 1962 in Arica | |||
Uruguay | – | Sowjetunion | 1:2 (0:1) |
7. Juni 1962 in Arica | |||
Kolumbien | – | Jugoslawien | 0:5 (0:2) |
Rang | Land | Sp. | S | U | N | Tore | Diff. | Punkte |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | Sowjetunion | 3 | 2 | 1 | 0 | 8:5 | +3 | 5:1 |
2 | Jugoslawien | 3 | 2 | 0 | 1 | 8:3 | +5 | 4:2 |
3 | Uruguay | 3 | 1 | 0 | 2 | 4:6 | -2 | 2:4 |
4 | Kolumbien | 3 | 0 | 1 | 2 | 5:11 | -6 | 1:5 |
Gruppe B
30. Mai 1962 in Santiago de Chile | |||
Chile | – | Schweiz | 3:1 (1:1) |
31. Mai 1962 in Santiago de Chile | |||
BR Deutschland | – | Italien | 0:0 |
2. Juni 1962 in Santiago de Chile | |||
Chile | – | Italien | 2:0 (0:0) |
3. Juni 1962 in Santiago de Chile | |||
BR Deutschland | – | Schweiz | 2:1 (1:0) |
6. Juni 1962 in Santiago de Chile | |||
BR Deutschland | – | Chile | 2:0 (1:0) |
7. Juni 1962 in Santiago de Chile | |||
Italien | – | Schweiz | 3:0 (1:0) |
Rang | Land | Sp. | S | U | N | Tore | Diff. | Punkte |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | BR Deutschland | 3 | 2 | 1 | 0 | 4:1 | +3 | 5:1 |
2 | Chile | 3 | 2 | 0 | 1 | 5:3 | +2 | 4:2 |
3 | Italien | 3 | 1 | 1 | 1 | 3:2 | +1 | 3:3 |
4 | Schweiz | 3 | 0 | 0 | 3 | 2:8 | -6 | 0:6 |
Gruppe C
30. Mai 1962 in Viña del Mar | |||
Brasilien | – | Mexiko | 2:0 (0:0) |
31. Mai 1962 in Viña del Mar | |||
Spanien | – | Tschechoslowakei | 0:1 (0:0) |
2. Juni 1962 in Viña del Mar | |||
Brasilien | – | Tschechoslowakei | 0:0 |
3. Juni 1962 in Viña del Mar | |||
Mexiko | – | Spanien | 0:1 (0:0) |
6. Juni 1962 in Viña del Mar | |||
Brasilien | – | Spanien | 2:1 (0:1) |
7. Juni 1962 in Viña del Mar | |||
Mexiko | – | Tschechoslowakei | 3:1 (2:1) |
Rang | Land | Sp. | S | U | N | Tore | Diff. | Punkte |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | Brasilien | 3 | 2 | 1 | 0 | 4:1 | +3 | 5:1 |
2 | Tschechoslowakei | 3 | 1 | 1 | 1 | 2:3 | -1 | 3:3 |
3 | Mexiko | 3 | 1 | 0 | 2 | 3:4 | -1 | 2:4 |
4 | Spanien | 3 | 1 | 0 | 2 | 2:3 | -1 | 2:4 |
Gruppe D
30. Mai 1962 in Rancagua | |||
Argentinien | – | Bulgarien | 1:0 (1:0) |
31. Mai 1962 in Rancagua | |||
Ungarn | – | England | 2:1 (1:0) |
2. Juni 1962 in Rancagua | |||
England | – | Argentinien | 3:1 (2:0) |
3. Juni 1962 in Rancagua | |||
Ungarn | – | Bulgarien | 6:1 (4:0) |
6. Juni 1962 in Rancagua | |||
Ungarn | – | Argentinien | 0:0 |
7. Juni 1962 in Rancagua | |||
England | – | Bulgarien | 0:0 |
Rang | Land | Sp. | S | U | N | Tore | Diff. | Punkte |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | Ungarn | 3 | 2 | 1 | 0 | 8:2 | +6 | 5:1 |
2 | England | 3 | 1 | 1 | 1 | 4:3 | +1 | 3:3 |
3 | Argentinien | 3 | 1 | 1 | 1 | 2:3 | -1 | 3:3 |
4 | Bulgarien | 3 | 0 | 1 | 2 | 1:7 | -6 | 1:5 |
Die gesamte Weltmeisterschaft zeichnete sich vor allem durch zu defensives Spiel, zu wenig Tore und leider durch ein Übermaß an Brutalitäten (mit dem traurigen Höhepunkt bereits in der Vorrunde beim Spiel Chile gegen Italien) gepaart mit den schlechtesten Schiedsrichtern aller WM-Turniere aus
Spielplan Finalrunde
Viertelfinale
Im Viertelfinale spielten die Gruppenersten jeweils über Kreuz gegen die Zweiten der Nachbargruppen. Chile setzte sich gegen die stärker eingeschätzte Sowjetunion mit dem WeltklassetorwartLew Jaschin durch. Deutschland traf nach 1954 und 1958 zum dritten Mal in Folge auf Jugoslawien und verlor durch ein Gegentor in der 86. Spielminute. Die überragenden Brasilianer hatten auch ohne Pelé wenig Mühe mit dem englischen Team. Die Tschechoslowaken setzten sich gegen die gleichstarken Ungarn durch, die eine Vielzahl von Chancen nicht verwerten konnten.
10. Juni 1962 in Arica | |||
Chile | – | Sowjetunion | 2:1 (2:1) |
10. Juni 1962 in Santiago de Chile | |||
Jugoslawien | – | BR Deutschland | 1:0 (0:0) |
10. Juni 1962 in Viña del Mar | |||
Brasilien | – | England | 3:1 (1:1) |
10. Juni 1962 in Rancagua | |||
Tschechoslowakei | – | Ungarn | 1:0 (1:0) |
Keine wirkliche Lobby mehr im deutschen Team nach der WM 1962. Sepp Herberger
Halbfinale
Im von großer Härte geprägten ersten Spiel des Halbfinales setzte sich Brasilien verdient gegen Gastgeber Chile durch. In diesem Spiel wurde der überragende Garrincha in der 83. Spielminute wegen einer Tätlichkeit vom Platz gestellt, aber anschließend für das Endspiel begnadigt. Das Spiel Brasilien gegen Chile war das erste ausverkaufte Spiel des Turniers. Das rein europäische zweite Spiel sahen dagegen nur weniger als 6000 Zuschauer. Die Tschechoslowakei gewann gegen das über weite Strecken dominierende Jugoslawien mit 3:1 und qualifizierte sich damit zum zweiten Mal nach 1934 für ein WM-Endspiel. Nach Spielplan war die Partie Brasilien–Chile eigentlich in Viña del Mar angesetzt. Die Austragungsorte beider Halbfinalspiele wurden jedoch auf Wunsch des Veranstalters Chile von der FIFA getauscht.
13. Juni 1962 in Santiago de Chile | |||
Brasilien | – | Chile | 4:2 (2:1) |
13. Juni 1962 in Viña del Mar | |||
Tschechoslowakei | – | Jugoslawien | 3:1 (0:0) |
Spiel um Platz 3
In einer schwachen Partie gelang dem Gastgeber in der Nachspielzeit durch Eladio Rojas das entscheidenden Tor gegen Jugoslawien. Der dritte Platz ist bis heute Chiles größter Erfolg bei einem internationalen Fußballturnier.
16. Juni 1962 in Santiago de Chile | |||
Chile | – | Jugoslawien | 1:0 (0:0) |
Endspiel
Das Finale fand im Estadio Nacional de Chile statt. Die unerwartet offensiv auftretenden Tschechoslowaken gingen in der 15. Minute etwas überraschend in Führung, die aber nur kurzen Bestand hatte. Durch zwei Fehler des ansonsten überragenden Torwarts Schrojf begünstigt, erzielte Brasilien in der Schlussphase das 3:1. Zum zweiten und bisher letzten Mal nach Italien 1938 hatte ein Weltmeister seinen Titel verteidigt.
17. Juni 1962 in Santiago de Chile | |||
Brasilien | – | Tschechoslowakei | 3:1 (1:1) |
Trotz roter Karte im Halbfinale 1962 dabei: Garrincha
Skandal: Mit Rot dabei
Der Brasilianer Garrincha bekam im Halbfinale der WM 1962 in Chile eine rote Karte, durfte aber dennoch im Finale gegen die Tschechoslowakei auflaufen. Ein Weltmeister aus einem sozialistischen Land schien damals nicht opportun. Da traf es sich blendend, dass der Linienrichter, der die Tätlichkeit beobachtet hatte, an der anschließenden Anhörung nicht teilnehmen konnte: Brasilien hatte ihm ein Flugticket von Santiago nach Montevideo geschenkt – mit Zwischenstopp in Paris.
Der Brasilianer Garrincha bekam im Halbfinale der WM 1962 in Chile eine rote Karte, durfte aber dennoch im Finale gegen die Tschechoslowakei auflaufen. Ein Weltmeister aus einem sozialistischen Land schien damals nicht opportun. Da traf es sich blendend, dass der Linienrichter, der die Tätlichkeit beobachtet hatte, an der anschließenden Anhörung nicht teilnehmen konnte: Brasilien hatte ihm ein Flugticket von Santiago nach Montevideo geschenkt – mit Zwischenstopp in Paris.
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